Vom Rückenwind durchs Leben getragen

Andreas Freudenberg blickt über den Eversburger Friedhof und ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Er deutet auf den Vorplatz. Ein riesiges von bunter Heide gesäumtes Beet schmückt den Vorplatz der Kapelle. Das ist sein kreatives Werk, sein Verdienst, und den Stolz merkt man ihm an.

Die Pflege der Friedhofsflächen ist sein Metier. In seinem Berufsleben hat er unendlich viele Bahnen mit dem Rasenmäher gedreht, kilometerlange Hecken geschnitten und Wege gehackt, unzählige Grabstellen abgeräumt und Beerdigungen vorbereitet. Jetzt blickt er auf ein bewegtes Arbeitsleben von über 47 Jahren bei der Stadt Osnabrück zurück und geht in den wohlverdienten Ruhestand. 

Dabei hatte es der 64-Jährige seit einem schweren Verkehrsunfall mit neun Jahren nie leicht im Leben gehabt. Er, der mit 90 Prozent Schwerbehinderung und Hilfe einer Integrationsmaßnahme, die vom Arbeitsamt bezahlt wurde, in die Lehre als Blumen- und Ziergärtner ging, musste immer kämpfen und sich beweisen. Das Lernen in der Schule sei ihm nicht leicht gefallen und er musste mit seinem Vater sehr viel für den Hauptschulabschluss üben. „Aufgeben war nie eine Option“, sagt Andreas Freudenberg im Rückblick. Sein Vater war ihm immer ein großes Vorbild und eine lebenslange Stütze. Der Stahlarbeiter aus Schlesien hat den Sohn stets gefordert und gefördert. Der Vater war sein Antrieb, sein Rückenwind und die lebenslange Bindung zwischen den beiden war sehr eng. Als der Vater vor drei Jahren verstarb, hat es Andreas Freudenberg tief getroffen und in eine Krise gestürzt.

Für seine Arbeit auf dem Friedhof hat Freudenberg viel positives Feedback erhalten und daraus sein Selbstvertrauen geschöpft. „Dass die Friedhofsverwalter mir die kreative Gestaltung von Beeten zugetraut haben, hat mir sehr viel bedeutet. Die Friedhofsarbeit hat mein Leben geprägt und mich erfüllt. Ich habe auf dem Hasefriedhof gearbeitet, auf dem damals noch beerdigt wurde, in Haste und auf dem Heger Friedhof, in Pye, Atter und Eversburg“, zählt er seine beruflichen Stationen auf. Andreas Freudenberg spricht schnell, gestenreich und voller Energie über seinen Job. „Und genauso arbeitet er auch“, beschreibt ihn Vorarbeiterin Silvia Gerfelmeyer. Andreas war immer draußen und voller Tatendrang, ob es gestürmt, geschneit oder geregnet hat, er ließ nicht von der Arbeit ab, bis sie fertig war. Da hieß es im Wolkenbruch auch schon mal „Andreas, schmeiß den Anker!“ lacht Gerfelmeyer. In seinem Arbeitsleben hat Freudenberg auch einen Ausflug in die Pflege der Grünanlagen der Stadt gemacht. Aber Rasenmähen auf Fahrbahnteilern zwischen dem fließenden Verkehr war nicht seine Sache und so ist er wieder in den parkartigen Friedhofsbereich zurückgekehrt.

Heute, so sagt er, sei die Toleranz und Wertschätzung gegenüber Menschen mit Behinderung sehr viel höher als damals, als er 1977 anfing zu arbeiten. Bei seiner Abschlussprüfung als Gärtner wollte er nicht aufgrund seiner Behinderung bevorzugt werden und hat sie verschwiegen, er wurde beurteilt wie alle anderen auch. „Ich habe mich immer sehr angestrengt. Die botanischen Namen der Pflanzen habe ich über Monate hinweg auswendig gelernt“, berichtet er aus seiner Vergangenheit. Und dann war er auch der Beste darin. Er hatte immer Komplexe, weil die anderen es gefühlt besser konnten. Er glaubt, als Schwerbehinderter sei er über sich hinausgewachsen, weil er sich immer beweisen musste. Er war schon immer ein Kämpfer.

Ab Oktober wendet sich der zweifache Familienvater dem heimischen Garten zu und hat viele neue Projekte auf dem Zettel. „Die Arbeit geht nicht aus“, lacht er und will mit seiner Geschichte anderen Mut machen.

Bei der Stadtverwaltung insgesamt liegt die aktuelle Quote der schwerbehinderten Beschäftigten bei circa sieben Prozent. 

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