Im Rahmen einer Kooperationsaktion des ZONTA Club Westfälischer Friede und uns werden in und um Osnabrück orangefarbene Bänke aufgestellt, die das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen mittels Farbe und Hinweisplakette ins öffentliche Bewusstsein bringen sollen. Auf den Plaketten sind Hilfetelefonnummern sowie der Slogan „Hier ist kein Platz für Gewalt an Frauen und Mädchen“ aufgedruckt. Wir wurden nun darauf aufmerksam gemacht, dass auf einer Bank das „kein“ durch Kratzen entfernt wurde, so dass sich auf dieser Bank nun ein aktiver Aufruf zu Gewalt an Frauen befindet. Selbstverständlich wird die Plakette schnellstmöglich ausgetauscht.
Dennoch möchte ich diesen Umstand als Anlass nehmen, im Schulterschluss mit dem ZONTA Club Westfälischer Friede Osnabrück auf die gravierende Problematik hinter dieser Aktion hinzuweisen und deutlich klar zu stellen, dass dies nicht als lustiger Streich oder Scherz verstanden werden kann. Diese Aktion muss klar als antifeministische Tat eingeordnet werden, mit dem Ziel das Recht von Frauen und Mädchen auf ein gewaltfreies Leben an sich in Frage zu stellen. Ein Recht auf Leben ohne Gewalt ist Menschenrecht und eine Infragestellung dessen folglich die Infragestellung von Menschenrechten an sich. Es ist beschämend, dass dies im Jahre 2024 überhaupt noch verhandelt werden muss.
Daher komme ich nicht umhin, das lokale Geschehen auch in größere Zusammenhänge einzuordnen. Während in den USA ein Kandidat das Amt des Präsidenten unter anderem für sich gewinnen kann, indem er sich klar antifeministisch positioniert und das Recht von Frauen über die eigene Reproduktion instrumentalisiert, werden auch in Deutschland inzwischen ähnliche Debatten geführt. Bei kontinuierlich stärker werdenden rechten und somit antifeministischen Tendenzen ist es ein zentrales Handlungsfeld, sich jetzt für die körperliche Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen einzusetzen. Es muss allen klar sein, dass der Verbleib des § 218 im StGB hohe Risiken birgt, wenn sich rechte Mehrheiten im zukünftigen Verlauf weiterhin ausbreiten. Die Tatsache, dass aktuell keine Strafe bei Einhaltung der Bestimmungen bei Schwangerschaftsabbrüchen erfolgt, ist hier wenig beruhigend.
Zudem, und das zeigen auch die aktuellen Zahlen zu häuslicher Gewalt des Bundeskriminalamtes, steigt geschlechtsspezifische Gewalt in Deutschland an. Statt zuvor ca. jeden dritten Tag kommt es inzwischen durchschnittlich jeden Tag zu einem Femizid in Deutschland. Ein Gewalthilfegesetz auf Bundesebene wäre eine wichtige Maßnahme, um Schutzlücken zu schließen und Betroffenen die Möglichkeit zu geben, tatsächlich Hilfe erhalten zu können. Es ist ein wichtiger Schritt. Ähnlich wie bei der Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen erleben wir allerdings im Gegenteil, dass diese Themen für den aktuellen Bundestagswahlkampf instrumentalisiert werden.
Dabei sind die beiden angesprochenen Gesetztesinitiativen wichtige Schritte. Genauso relevant ist es allerdings auch, dass sich das Bewusstsein ändert. Femizide sind die fatalste Form von geschlechtsspezifischer Gewalt, aber sie werden durch Strukturen begünstigt, die Gesellschaften latenter prägen. Es beginnt bei sexistischen Witzen, bei Ausgrenzung und Anfeindungen. In ebendiesen Kontext ist die Tat bei den Bänken einzubetten. Es ist nicht nur ein Scherz einen Spruch auf einer Bank zu verändern. Es ist eine Kampfansage, durch die Hashtags wie #yourbodymychoice trenden. Es ist ein ideeler Schulterschluss zu Kommentaren unter Beiträgen, die behaupten, dass sexuelle Handlungen keinen Konsens voraussetzen. Gerade das Recht auf Selbstbestimmung und Gewaltfreihheit ist ein Gut, mit dessen Selbstverständlichkeit Mädchen hier aufwachsen sollten dürfen. Taten wie diese greifen dieses Selbstverständnis an. Es beginnt nicht erst bei der Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Aber dort endet es.
Patricia Heller
Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Osnabrück