Ein Grund war die Enkelin: Katja Schmidt hat mit Hilfe des Klinikums Osnabrück über 40 Kilo abgenommen

Am meisten freut sich Katja Schmidt darüber, dass sie wieder Schuhe mit Absätzen tragen kann. „Das ist eine Frauensache“, schmunzelt Schmidt. „Vorher mit dem Übergewicht ging das nicht mehr – und nun ist es eine der Sachen, bei denen ich mich wie ein neuer Mensch fühle.“

Die 54-Jährige aus Bippen hat sich im Interdisziplinären Therapiezentrum Adipositas (ITA) des Klinikums Osnabrück einer Behandlung mit einer bariatrischen Operation unterzogen, mit der sie über 40 Kilogramm abgenommen und ihr früheres Ernährungsverhalten hinter sich gelassen hat. Wie die 1,70 Meter große Frau berichtet, lag ihr Höchstgewicht vor der Behandlung bei 135 Kilogramm. Nach der Schlauchmagen-Operation im April, also der Verkleinerung ihres Magenvolumens, ist sie bis jetzt bei einem Gewicht von 89 Kilogramm und nimmt noch weiter kontrolliert ab.

„Ich mag weiter alles und esse weiter alles – der Unterschied ist, dass die Portionen deutlich kleiner geworden sind, weil ich ja viel schneller satt bin“, beschreibt sie. „Bei Kuchen oder anderem Süßen reichen mir eine oder zwei Gabeln oder Löffel voll. Anders als vorher habe ich Heißhunger auf Obst – da könnte ich mich, wie es so schön heißt, hineinsetzen.“ Schmidt hat sich, wie sie schildert, wegen ihrer gesundheitlichen Verfassung in die Behandlung des Therapiezentrums Adipositas begeben. „Mein Blutdruck war viel zu hoch, der Zucker grenzwertig, mir taten die Gelenke weh, ich konnte nur noch ganz schlecht Treppensteigen und war aus der Puste, sobald ich ein paar Schritte gemacht hatte – es war also höchste Zeit,  etwas zu unternehmen“, schildert sie. „Und es gab einen konkreten Auslöser: Mein Mann und ich waren in Köln und wollten uns in ein Café setzen – aber dann haben wir erst einmal nichts gefunden, wo ich auf einen Stuhl gepasst hätte.“

Wie Schmidt beschreibt, hat sie es vorher jahrelang in Kauf genommen, dass es bei ihr „immer mehr“ geworden sei. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder habe ein Prozess eingesetzt, bei dem sie zu unregelmäßigen Zeiten gegessen und weniger Sport getrieben habe. Sie war eingespannt in ihren Beruf als Medizinische Fachangestellte in einem Krankenhaus, hat sich zunächst um die eigenen Kinder gekümmert und war in den vergangenen Jahren sehr mit der Pflege der eigenen Eltern beschäftigt. „Ich habe immer gut und viel gegessen, auch Süßes. Mir war natürlich klar, dass das nicht gut ist – aber ich bin alleine nicht dagegen angekommen. Natürlich habe ich auch Diäten versucht – aber sie waren immer mit dem Jojo-Effekt verbunden, dass ich hinterher gleich wieder zugelegt habe“, so Schmidt. „Mein Mann hat mich immer so in Kauf genommen, wie ich war – dafür bin ich ihm sehr dankbar. Trotzdem ging es so weit, dass ich gewartet habe, bis er abends im Bett war, bevor ich an den Kühlschrank gegangen bin.“

Das habe sie nicht länger gewollt. „Und ich wollte es natürlich auch vermeiden, dass sich eine schwere Erkrankung bei mir einstellt. Außerdem gab es noch einen Grund – unsere Enkeltochter. Mir hat die Kraft gefehlt, sie hochzuheben oder ich habe es in anderen Situationen gemerkt, dass ich in keiner guten Verfassung war – auch damit wollte ich mich nicht abfinden.“ Weil es ihr aus eigener Kraft nicht gelungen sei, gegen das Gewicht anzukommen, habe sie sich mit dem Wunsch nach einem operativen Eingriff an das Interdisziplinäre Therapiezentrum Adipositas des Klinikums Osnabrück gewandt. Auch ihre Schwester habe sie gewarnt, dass sie auf sich aufpassen müsse.

Das Haus auf dem Finkenhügel hat sich bereits seit 1995 auf Behandlungen zur Gewichtsreduktion spezialisiert, wobei das Interdisziplinäre Therapiezentrum Adipositas gerade im Sommer erstmals in der Region von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DAGV) für die hohe Qualität der Behandlungen zertifiziert worden ist. Neben chirurgischen Eingriffen wie Schlauchmagen- und Magenbypass-Operationen gehört auch ein konservatives Behandlungsverfahren mit dem sogenannten „Optifast-52-Programm“ zum Leistungsspektrum. Dabei werden Erkrankte 52 Wochen lang bei der Umstellung ihrer Ernährungs- und Lebensgewohnheiten durch ein Team von Spezialisten beraten und begleitet.

Das Interdisziplinäre Therapiezentrum Adipositas gehört zur Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie von Chefarzt PD Dr. Jürgen Tepel. Das Therapiezentrum wird von den Oberärzten Georg Sandhäger und Dr. Anna Ditz geleitet, das Optifast-52-Programm leitet die Diätassistentin Sabine Schmidtchen. Wie das Team schildert, unterziehen sich im Klinikum jährlich etwa 100 Erkrankte einer bariatrischen Operation und im Optifast-52-Programm stehen jedes Jahr 80 Plätze zur Verfügung. „Der wichtigste und schwierigste Schritt ist der in unsere Adipositas-Sprechstunde“, sagt Schmidtchen. Wie Ditz erklärt, steht die Beratung in der Sprechstunde am Anfang einer Behandlung. „Adipositas ist eine Erkrankung“, verdeutlicht die Chirurgin und Ernährungsmedizinerin Ditz. „Bei uns geht es nicht darum, zu einer Superfigur zu kommen – und das versprechen wir auch nicht – sondern wir wollen die Menschen gesünder machen, ihre Lebensqualität wiederherstellen und das Risiko für Folgeerkrankungen der Adipositas minimieren.“

Wie sie beschreibt, tragen Krankenkassen bei Menschen ab einem Body-Mass-Index von 35 mit Begleiterkrankungen und ab 40 ohne Begleiterkrankungen die Kosten für bariatrische Eingriffe. „Welche Behandlung und welche Art von Eingriff für einen Erkrankten in Frage kommt, hängt von Gewohnheiten ebenso wie von individuellen körperlichen Voraussetzungen ab“, erläutert Ditz. „Ob ein Schlauchmagen oder ein Magenbypass geeignet ist, entscheidet sich u.a. durch Vorerkrankungen und hormonellen Voraussetzungen. Und die Erkrankten müssen bereit sein, hinterher auf bestimmte Lebensmittel zu verzichten und zusätzlich zur Ernährung Vitamine und Mineralien einzunehmen.“

Das Vorgehen werde am Anfang der Behandlung in enger Absprache mit den Erkrankten festgelegt. Dabei könne sich auch herausstellen, dass lieber auf eine Operation verzichtet werde. „Ein Beispiel ist etwa ein Fall, in dem sich ein Erkrankter gegen eine Operation entschieden hat, weil er gerne weiter Bier trinken wollte. Er hat sich daraufhin am Optifast-52-Programm beteiligt und darin 36 Kilogramm abgenommen.“

Voraussetzung für eine bariatrische Operation ist es, dass Erkrankte vorher ein halbes Jahr lang an einer multimodalen konservativen Therapie teilnehmen, in der sie darin unterstützt werden, ihre Ernährung zu ändern, das Essverhalten umzustellen und sich wieder mehr zu bewegen. Dabei werden jeweils individuelle Inhalte/Ziele festgelegt und es gibt regelmäßige Termine im Klinikum, bei denen die Erkrankten u.a. von Sabine Schmidtchen begleitet werden.

Bei Katja Schmidt hat die Vorbereitung auf die OP sogar zehn Monate lang gedauert, weil sie zwischendurch noch in einer Reha-Behandlung war. Sie hatte es geschafft, vor dem Eingriff bereits elf Kilo abzunehmen. „Ich habe mich viel bewegt und mir den Hunger verkniffen – aber ich hatte die ganze Zeit Sorge, dass ich es nicht durchhalten würde, deswegen habe ich den OP-Termin herbeigesehnt.“ Der minimalinvasive Eingriff sei bestens verlaufen, sie sei insgesamt nur vier Tage lang im Krankenhaus gewesen. Wie Ditz erklärt, werden die bariatrischen Operationen fast immer mit schonenden Schlüssellochtechniken durchgeführt, bei denen die Patientinnen und Patienten schnell wieder auf die Beine kommen und nicht einmal mehr zu körperlicher Schonung angehalten seien.

Katja Schmidt ist in der Vorbereitung mit Radfahren, Walken/Laufen und sogar Schwimmen angefangen, nach der OP ist sie weiter dabeigeblieben und hat sich jetzt für die dunkle Jahreszeit in einem Fitnessstudio angemeldet. Ditz und Schmidtchen finden es mutig, dass Katja Schmidt ins Schwimmbad gegangen ist. „Schwimmen ist die beste Sportart, die Übergewichtige machen können – unter anderem, weil sie die Gelenke schont“ sagt Ditz. „Aber es ist eben auch damit verbunden, sich im Schwimmbad anderen Menschen zeigen zu müssen – und das ist für viele Betroffene der Horror“. Rat von Schmidtchen: Einzelne Bäder in der Region bieten teils eigene Schwimmzeiten für übergewichtige Menschen an.

Bei Katja Schmidt gab es solche Schwimmzeiten nicht, sie hat sich so überwunden. „Aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe – natürlich fühle ich mich jetzt viel wohler. Und am schönsten ist es für mich, dass ich wieder beweglich genug bin, um mit unserer Enkelin auf dem Teppich zu krabbeln – und schnell genug, um hinter ihr herzukommen.“ Ihrer Familie und ihren Freunden ist sie sehr dankbar für ihre Unterstützung.

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